Fragerecht des Arbeitgebers - Definition, Begriff und Erklärung (2024)

Bei Vertragsverhandlungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Bewerber treffen meist zwei unterschiedliche Interessenlagen aufeinander. Der Arbeitgeber hat ein besonderes Interesse daran, sich über die Eignung seines zukünftigen Mitarbeiters für die vorgesehene Tätigkeit zu informieren. Der Arbeitnehmer dagegen will seine persönlichen Verhältnisse nicht gegenüber einer ihm fremden Person offenbaren. Es ist das durch Artikel 1 und Artikel 2 Grundgesetz (GG) garantierte Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers berührt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und der herrschenden Meinung in der Literatur hat der Arbeitgeber nur insoweit ein Fragerecht, als er ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Frage für das Arbeitsverhältnis hat. Dieses Interesse muss so stark sein, dass das Interesse des Arbeitnehmers am Schutz des Persönlichkeitsrechts dahinter zurücktritt.

Die Rechtsprechung löst diese Interessenkollision also dahingehend, dass die Auskunftspflicht des Bewerbers regelmäßig dort endet, wo seine Persönlichkeit berürt wird, ohne dass es hierfür sachliche Gründe gibt. Aus diesen Grundsätzen folgt, dass der Arbeitnehmer zulässig gestellte Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten hat. Bei einer falschen Antwort käme u.U. sogar eine Anfechtung des Arbeitsvertrages in Betracht. Unzussig gestellte Fragen darf der Arbeitnehmer dagegen wahrheitswidrig beantworten, da eine Nichtbeantwortung der Frage einer Negativauskunft gleichkäme und somit der Arbeitgeber sein Frageziel erreicht hätte.

Zulässig sind in jedem Fall Fragen zur Person des Bewerbers bzw. Arbeitnehmers, wie zum Beispiel Fragen nach Name und Anschrift, Staatsangehörigkeit, Krankenkasse und Rentenversicherung.

Höchst umstritten sind allerdings Fragen nach dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers, da diese Fragen regelmäßig erheblich in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifen. Anerkannt ist, dass nur Fragen zulässig sind, die für die zu leistende Arbeit von Bedeutung sind. Einzelprobleme zum Fragerecht des Arbeitgebers.

Nicht zulässig ist nach herrschender Meinung die Frage nach einer HIV-Erkrankung, sofern lediglich eine HIV-Infzierung vorliegt, die Krankheit selbst aber noch nicht ausgebrochen ist. In einem solchen Fall ist es nämlich nicht vorhersehbar, ob und wann die Krankheit ausbricht, so dass auch ein Ausfall der Arbeitsleistung nicht sicher ist. Eine Ausnahme besteht ledglich, wenn wegen der Besonderheit des Arbeitsplatzes die Eignung des Arbeitnehmers durch die HIV-Erkrankung berührt wird, so zum Beispiel bei einer Ansteckungsgefahr für Dritte oder Kollegen (dies gilt zum Beispiel für sämtliche Heilberufe).

Nach neuerer Rechtsprechung ist auch die Frage nach einer Schwangerschaft der Bewerberin bzw. der Arbeitnehmerin unzulässig. Ein solches Fragerecht würde zu einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung führen. Unzulässig ist auf jeden Fall die Forderung nach Vorlage eines negativen Schwangerschaftstest durch den Arbeitgeber sowie sämtliche Fragen zur Empfängnisverhütung.

Die Frage nach Vorstrafen des Bewerbers ist zulässig, soweit sie sich auf einschlägige Vorstrafen bezieht und diese für die Besetzung der Stelle von Bedeutung wären.

Fragerecht des Arbeitgebers - Definition, Begriff und Erklärung (2024)

FAQs

Fragerecht des Arbeitgebers - Definition, Begriff und Erklärung? ›

Was ist unter dem Fragerecht des Arbeitgebers zu verstehen? Das Fragerecht des Arbeitgebers steht in Zusammenhang mit Einstellungsgesprächen und betrifft den zulässigen Umfang von Fragen nach persönlichen Informationen an einen Bewerber.

Was ist das Fragerecht? ›

Das Fragerecht ist u. a. wegen der Beschäftigungspflicht von schwerbehinderten Menschen (§ 71ff SGB IX) und der Beachtung der Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung als berechtigtes Interesse des Arbeitgebers anerkannt. Der Arbeitnehmer hat die Pflicht, darauf wahrheitsgemäß zu antworten.

Wann ist das Fragerecht des Arbeitgebers eingeschränkt? ›

Fragen, die im Einzelfall zulässig sein können: Die Frage nach Vermögens- und wirtschaftlichen Verhältnissen ist nur zulässig, falls ein Nachweis geordneter Verhältnisse erforderlich erscheint (Fußnote). Dies ist der Fall wenn die zu besetzende Stelle ein besonderes Vertrauensverhältnis voraussetzt.

Was ist ein Arbeitgeber laut Gesetz? ›

Gesetzlich beschrieben wird der Arbeitgeber allerdings in § 2 Abs. 3 ArbSchG und § 6 Abs. 2 AGG. Arbeitgeber im Sinne dieser Vorschriften sind natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die Arbeitnehmer beschäftigen.

Was darf der Arbeitgeber nicht fragen? ›

In welchen Bereichen gibt es unzulässige Fragen?
  • Partnerschaft und Familienplanung.
  • Gesundheit.
  • Glauben.
  • Politische Überzeugung und Gewerkschaftszugehörigkeit.
  • Ethnische Herkunft.
  • Vermögen.
  • Vorstrafen.

Was darf man bei einem Bewerbungsgespräch nicht fragen? ›

Da der Gesetzgeber also eine Diskriminierung auf Grund von Familienstand, Kindern/Kinderwunsch, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung, Alter, sexueller Orientierung verbietet, sind Fragen, die diese Themenbereiche betreffen, im Bewerbungsgespräch generell unzulässig.

Was sind die Hauptpflichten des Arbeitgebers? ›

Die Hauptpflicht auf Arbeitgeberseite besteht darin, die nach dem Vertrag geschuldete Vergütung (Arbeitsentgelt) zu zahlen. Diese Vergütung kann in der klassischen Form des "Gehalts" als feste Monatszahlung oder in der mehr oder minder zeitabhängigen Form des "Lohns" vereinbart sein.

Wie weit darf der Arbeitgeber kontrollieren? ›

Ihr Arbeitgeber darf Sie und Ihre Kollegen, wenn überhaupt, immer nur auf Grundlage gesetzlicher Bestimmungen sowie unter Wahrung Ihrer Persönlichkeitsrechte und Ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung überwachen.

Ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet? ›

Fürsorgepflicht: Definition. Arbeitgeber sind im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses verpflichtet, Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen. Darunter fallen zum Beispiel der Schutz vor Unfällen, ein gut ausgestatteter Arbeitsplatz und ein fairer Umgang miteinander.

Was darf der Arbeitgeber nicht vom Arbeitnehmer fordern? ›

Ihr Chef darf nicht von Ihnen fordern, private Dinge zu berichten, die Sie nicht von sich aus erzählen würden. Jeder Mitarbeiter hat ein Recht auf Privatsphäre und die ist außerdem auch durch das deutsche Rechtssystem geschützt.

Wann darf der Arbeitnehmer Lügen? ›

Aber es gibt auch Lügen, die ausdrücklich erlaubt sind. Zum Beispiel im Vorstellungsgespräch. Genau. Wenn zum Beispiel im Vorstellungsgespräch mit einer Bewerberin die Frage nach einer bestehenden oder geplanten Schwangerschaft kommt, da dürfen Sie lügen.

Was darf der Arbeitgeber beim personalgespräch Fragen? ›

ERLAUBT: Jedes Thema, das mit dem Arbeitsverhältnis zu tun hat, darf im Personalgespräch besprochen werden (Arbeitsleistung, Betriebsabläufe, Arbeitsvertrag etc.).

Welches Recht hat der Arbeitgeber? ›

Rechte des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber hat ein Recht auf die Erfüllung der Arbeitspflicht seiner Angestellten. Er hat zudem Weisungsrecht, was heißt, er kann die Art und auch den Umfang der Arbeitsleistung festlegen, näher bestimmen und an seine Angestellten weitergeben.

Wie definiert man Arbeitgeber? ›

Definition: Was ist "Arbeitgeber"? Arbeitgeber ist derjenige, der einen Arbeitnehmer beschäftigt. Hauptpflichten des Arbeitgebers sind insbesondere: Vergütungspflicht, Fürsorgepflicht, Pflicht zur Gleichbehandlung sowie Verpflichtung zur Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben.

Wie kann man gegen Arbeitgeber vorgehen? ›

Wer hilft mir bei Problemen mit dem Arbeitgeber? Bei Problemen mit dem Arbeitgeber hilft der Betriebsrat, wenn das Unternehmen einen hat, die Gewerkschaft, wenn man einer zugehört oder freie Beratungsstellen und -vereine. Wer rechtlich vorgehen möchte, wendet sich an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Was versteht man unter dem Interpellationsrecht? ›

Interpellationsrecht: Sowohl der Nationalrat als auch der Bundesrat können schriftliche oder mündliche Anfragen an die Regierung stellen. Sie können darin Auskunft zu bestimmten Themen verlangen und die Regierungsmitglieder befragen, was sie oder ihre Behörde tun.

Sind suggestivfragen vor Gericht erlaubt? ›

Aus tatsächlichen Gründen unzulässig sind insbesondere Fang- oder Suggestivfragen, Fragen, die bereits von anderen Verfahrensbeteiligten gestellt wurden, Fragen, die von der Auskunftsperson schon erschöpfend beantwortet wurden oder Fragen, die reine Werturteile betreffen.

Wann besteht eine offenbarungspflicht? ›

Eine solche selbständige Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers besteht nur dann, wenn es um Tatsachen geht, welche die Ausübung der Position unmöglich machen oder die sonst von erkennbar wichtiger Bedeutung sind.

Was versteht man unter offenbarungspflicht? ›

FeedbackVerpflichtung eines Angehörigen der Heilberufe, der einer Schweigepflicht unterliegt, aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift oder in besonderen Fällen auch aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses, ein von der Schweigepflicht umfasstes Geheimnis Dritten mitzuteilen.

Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Allyn Kozey

Last Updated:

Views: 6493

Rating: 4.2 / 5 (63 voted)

Reviews: 94% of readers found this page helpful

Author information

Name: Allyn Kozey

Birthday: 1993-12-21

Address: Suite 454 40343 Larson Union, Port Melia, TX 16164

Phone: +2456904400762

Job: Investor Administrator

Hobby: Sketching, Puzzles, Pet, Mountaineering, Skydiving, Dowsing, Sports

Introduction: My name is Allyn Kozey, I am a outstanding, colorful, adventurous, encouraging, zealous, tender, helpful person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.